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Nikolas Darnstädt im Gespräch

Was ihn persönlich an Miguel de Cervantes’ Roman „Don Quijote” begeistert und warum der späte „Aussteiger” für Menschen aller Altersklassen eine spannende Identifikationsfigur ist.
Portraitfoto von Nikolas Darnstädt

Was begeistert Sie persönlich an Miguel de Cervantes’ Roman „Don Quijote”?

Don Quijote ist ein aus den Nähten platzender Roman voller Leben, voller kluger Gedanken und voller Liebe für seine zwei Protagonisten. Cervantes hat es niemandem recht machen wollen, sondern ein freies, glühendes Kunstwerk in die Welt gesetzt. 

Lange vor David Foster Wallace oder Roberto Bolaño hat dieser Autor einen Roman kreiert, der sich in sich selbst verstrickt, viel zu lang ist, viel zu viele Geschichten erzählt, viel zu viele Umwege nimmt und nie den geraden Weg. 

Ein schiefer, selbstreferenzieller hybrider Roman ist dieser “Don Quijote”. In den kargen Zeiten des Minimalismus ist es eine wahre Freude ein so maximalistisches Werk zu lesen!

Warum bezeichnet sich Don Quijote selbst als ‚Ritter von der Traurigen Gestalt’?

Für mich ist Don Quijote ein Künstler. Und jeder wahre Künstler ist ein Ritter von der Traurigen Gestalt, denn er ist einsam. Er sieht eine Welt, die die anderen nicht sehen können oder wollen. Und er kann sich einfach nicht daran gewöhnen, dass das, was alle um ihn herum “Realität” nennen, wirklich die wahre Welt sein soll. Er ist unverstanden und versteht niemanden.  Dadurch ist er schrecklich allein. Eine traurige Gestalt.

Durch Quijotes Augen stellen wir unsere Welt infrage.

Und warum ist der späte „Aussteiger” für Menschen aller Altersklasse eine spannende Identifikationsfigur?

In “Don Quijote” geht es letztlich darum, wie wir Wirklichkeit definieren. Ob die subjektive Wahrnehmung eines Menschen nicht genau so einen Anspruch darauf hat, Realität zu sein, wie das, worauf sich alle anderen offiziell geeinigt haben. 

Durch Quijotes Augen stellen wir unsere Welt infrage und denken uns: Ist das wirklich die Welt? Ist das wirklich die einzig mögliche Welt? Könnte die Welt nicht vielleicht ganz anders sein? Ich denke, dass diese Wahrnehmung auch die eines Jugendlichen ist, der zwischen der Kindheit und dem Erwachsensein steht. 

Als Kind entziffert man die Chiffren der Erwachsenenwelt nicht so mühelos, dafür enthüllt man ihre Widersprüche durch den klugen Kinderblick, durch die Frage “Warum?“. Erwachsenwerden heißt immer auch ein bisschen, diese Klugheit zu verlieren und sich arrangieren zu müssen mit den Lügen, Konventionen und Geheimnissen, die ein Leben als Erwachsener mit sich bringt. 

Quijote ist dieses kluge Kind, dessen Intelligenz nicht auf Erkenntnis, sondern auf Unwissen beruht. Und dann ist da natürlich noch die Frage, ob es wirklich Naivität und Unwissen ist, die Quijote ausmacht, oder die Entscheidung, unwissend und naiv zu sein. Ich denke, das Quijote ein toller Begleiter auf dem Weg in und durch das Leben ist, denn die Wut, die ich als Teenager häufig empfunden habe, kam auch daher, dass mit dieser sogenannten “Welt” ganz offensichtlich etwas nicht stimmte, aber alle so taten, als wäre nichts. 

Quijote spricht genau diese Ungereimtheiten in unserer so brüchigen rechtschaffenen Wirklichkeit an und stellt sie infrage, wie es Jugendliche, Erwachsene und Ältere hoffentlich jeden Tag tun. Denn auch das ist Quijote: Der Märchen-Opa, der Zauberer, der in einer Zeit der Banalität dafür kämpft, dass die Menschen niemals aufhören, einander Geschichten zu erzählen.

Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Theaterfassung?

“Quijote” als Fest der Fantasie in einer Welt der Fantasielosigkeit. Als Höhlengleichnis der postmodernen Welt: Was ist Wirklichkeit?

Szenenbild aus "Don Quijote". Don Quijote mit buntem Federschmuck auf dem Kopf kniet vor einer Höhle.
© Luiza Puiu
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