Dietmar König im Interview
Der Burgtheaterschauspieler Dietmar König ist für die Titelrolle des Biedermann zu Gast am Landestheater Niederösterreich. Ein Gespräch am Ende der ersten Probenwoche über die Figur, den Gegenwartsbezug und den Humor des Stücks:Geht man als Schauspieler an eine Figur in einem allegorischen Lehrstück anders heran?
Da auch diese Figur psychologische Eigenarten und Motivationen hat, ist der Arbeitsprozess ähnlich, um sie zu erarbeiten und ihre Wesenszüge zu erkennen.
Welche Wesenszüge kennzeichnen Biedermann?
Ein solides Selbstbewusstsein und ein Grundvertrauen in seine Weltwahrnehmung. Seiner Ansicht nach hat er ein großes Verantwortungsbewusstsein als Geschäftsmann und Unternehmer.
Inwiefern andere Menschen dieses Verantwortungsbewusstsein beurteilen oder bewerten, interessiert Herrn Biedermann nicht. Er hat das Gefühl, er würde Strukturen durchschauen und wissen, worauf es im Leben ankommt. Und er sieht sich als jemand, der weiß, wann er gefordert ist, Dinge in die Hand zu nehmen.
Warum erkennt er dann die Gefahr nicht, die von den Brandstiftern ausgeht?
Vermutlich blendet er sie aus. Er denkt, selbst wenn ein Brandstifter in sein Haus käme, wäre er in der Lage, ihn von dieser Art von Ideologie abzubringen und zu überzeugen, einen anderen Weg einzuschlagen. Und dann verpasst er es, die Brandstifter rechtzeitig aus dem Haus zu schicken …
Was ist das Geheimnis der Brandstifter? Druck, den sie auf Biedermann ausüben, oder Verführung?
Verführung und Druck, beides. Ich glaube, diese Beharrlichkeit und Überzeugungskraft sind Herrn Biedermann so noch nicht begegnet, und er schätzt sie. Sie sprechen mit ihm auf Augenhöhe, und intuitiv gefällt ihm das. Und er denkt, naja, ich schaue mir das an und bin sehr neugierig, aber ich habe die Situation im Griff.
Im Gegensatz zu den Brandstiftern erreicht die Familie Knechtling nicht das Mitgefühl von Biedermann. Warum zeigt sich Biedermann hier von der harten Seite?
Er fühlt sich hintergangen und missbraucht. Er hat das Gefühl, er müsse sich schützen, als Arbeitgeber und als Mensch, vor denjenigen, die er finanziert, damit seine Unternehmensstruktur dadurch nicht kaputt geht.
Welche Ankerpunkte verbinden das Stück mit unserer Gegenwart, gerade in Bezug auf eure Inszenierung?
Ich glaube, im Moment fühlen sich viele Menschen verunsichert. Das Unsicherheitsgefühlt strömt wirklich von vielen Seiten auf uns ein. Bei den Proben kommen oft Assoziationen zum Tagesgeschehen auf, zum heutigen Populismus, den Provokationen, der Hemmungslosigkeit, sei es in der Politik, sei es in der Wirtschaft. Das Vokabular, das dabei filterfrei, hemmungslos und bedingungslos benutzt wird und als selbstverständlich hingenommen wird, ist erschreckend. Das zeigt dieses Stück auch.
Welche Rolle spielt der Humor?
Wie eigentlich immer, muss man das Stück ernst nehmen, um den Humor zu entwickeln. Der Humor ist mit der Not der Figuren verbunden, die wie wir in einer Welt voller Aberwitz leben. Wenn wir trotz aller Ernsthaftigkeit auf den Aberwitz der Gegenwart mit Humor blicken, kann das einen frischen Blick öffnen und das bringt vielleicht ein bisschen mehr Optimismus in dunklen Zeiten.